Samstag, 29. Januar 2011

Mein aktueller Gesundheitszustand Januar 2011

Da mir von mehreren Seiten gesagt worden ist, dass ich erstens meinen Blog im Januar vernachlässigt habe und zweitens nie etwas über meinen aktuellen Gesundheitszustand schreibe, möchte ich das jetzt mal auf die Schnelle ändern. Zumindest das Letztere.

Aaalso. Wie das schon immer so in meinem Leben gewesen ist, ist es ein einziges Auf und Ab. Aktuell geht es eher abwärts, aber das kennen wir ja auch schon zu Genüge. Vor zwei Tagen saß ich gemütlich und freudestrahlend bei Frau Conrad (eine ganz, ganz tolle Frau übrigens!) auf dem ZDF-Sofa im Mittagsmagazin, und sah vermutlich nicht besonders todkrank aus. (Naja, war ja auch toll geschminkt.)

Innerhalb meines Körpers sieht es anders aus. Ich weiß zwar nicht genau, wieviele Metastasen ich aktuell habe, im November 2008 hatte ich jedenfalls über 20 Stück, die größte davon 5 cm. Vor ein paar Wochen war die größte ca. 4 cm. Da mein Krebs sehr aggressiv ist, wachsen sie jedes Mal explosionsartig, sobald sie wieder einen Weg gefunden haben, die Chemos zu ignorieren.

Ich möchte nicht mit Arzneimittelnamen um mich schmeißen, aber damals, 2008, kam ein neues Mittel auf den Markt, das leider nur bei einer Minderheit der Patienten wirkt, und dieses Medikament hat mir über zwei Jahre geschenkt. Bzw. was heißt hier eigentlich "leider". Es wäre mir lieber, nicht zu dieser Minderheit zu gehören, die die entsprechenden Rezeptoren besitzen, die man mit diesem Mittel blockieren konnte. Diese HER-2/neu-rezeptoren will niemand haben, ich genauso wenig, weil Dank denen der Krebs eine Zusatzmöglichkeit hat, ordentlich zu wuchern. Bei Patienten, die diese Rezeptoren nicht haben, demnach auch nicht dieses Mittel brauchen, wächst der Krebs viel langsamer.

Wie immer, hat auch diese (Tabletten)Chemo irgendwann versagt, d.h. es bildete sich eine Resistenz - die Krebszellen sind ja nicht doof, die lernen auch dazu - und ich bekomme nun wieder mal ein anderes Mittel, in wöchentlichen Dosen, plus noch eine andere Infusion in dreiwöchentlichen Dosen. Dazu muss ich täglich 12 Tabletten schlucken, drei verschiedene Mittel.

Viele Chemos sind bei mir schon zweimal durchprobiert worden, in der Hoffnung, dass die Krebszellen, wie alle Lernenden, nach einer Weile auch mal was vergessen. Aber Alzheimer haben sie nicht, sie lassen sich im Glücksfall nur kurz irritieren, aber bald sagen sie immer: "Ah, diese Chemo kennen wir eigentlich schon. Los, Jungs, volle Kraft voraus, diesen alten Hut, mit dem sie uns nochmal kriegen wollten, schmeißen wir über Bord". Deshalb gibt es nicht mehr so viel, was man bei mir noch ausprobieren könnte. Wir, mein Arzt und ich, tun es natürlich trotzdem.

Heute Abend rief er mich übrigens an, dass meine Thrombozyten (die roten Blutkörperchen) sehr stark abgefallen sind, deshalb muss ich morgen trotz des Wochenendes zur Blutabnahme, und wenn ihre Anzahl noch weiter gesunken ist, bekomme ich am Sonntag eine Bluttransfusion. Das ist für mich ganz was Neues, meistens waren das Problem eher die Leukozyten (die weißen Blutkörperchen), aber ums Krankenhaus bin ich wegen der Leukozyten noch immer mit Ach und Krach herumgekommen, es kam nur vor, dass die Chemo verschoben werden musste, bis sie sich erholen.

Da ich also morgen früh zum Diakoniekrankenhaus in Stuttgart muss - übrigens ein wirklich tolles Haus, mein Lieblingskrankenhaus sogar, wenn ich so etwas überhaupt sagen kann - dort war ich im Sommer und Herbst zweimal zur Hochfrequenztherapie, bei der durch eine Bauchsonde einige Metastasen mit Hitze "zerkocht" wurden -, schließe ich erst mal mit dieser kurzen Bestandsaufnahme. Ein grobes Bild meines Gesundheitszustandes, was das Körperliche betrifft, dürfte aber somit gegeben worden sein. Ich versuche bald mehr zu erzählen.

P.S. Ich sehe gerade, dass die Uhrzeit in meinem Blog falsch eingestellt ist. Ich bin zu müde bzw. faul, es jetzt zu ändern. Es ist nämlich eigentlich Nacht (falls sich jemand fragt, ob ich üblicherweise schon nachmittags schlafen gehe, wenn ich was von "Morgen früh zum Blut" fasele).

Donnerstag, 20. Januar 2011

Mein haariger Restaurantbesuch

Meinen peinlichsten Restaurantbesuch erlebte ich, als ich meine Haare verlor.

Von der ersten Chemo waren ca. zwei Wochen vergangen, als die Haare nach und nach anfingen, abzufallen. Ganz ernst machten sie aber ausgerechnet in einem italienischen Restaurant. Ich ging nach der Blutabgabe alleine hin, weil ich nicht gefrühstückt und deshalb einen Bärenhunger hatte.

Plötzlich hingen immer mehr und mehr Haare in meinem Vitello Tonnato (das ist eine meiner Lieblingsspeisen), ich konnte sie kaum noch schnell genug wegräumen, der Appetit ließ dadurch auch schnell nach. Also fuhr ich mit der Hand immer wieder durch meine langen Haare und hielt jedes Mal einen ordentlichen Büschel in der Hand. Zunächst waren es noch nicht ganz so viele, so dass ich sie leicht schockiert, jedoch frech einfach unter den Tisch warf. In meine Handtasche wollte ich sie nicht reintun und die Serviette war mit dem Teller schon abgeräumt. Taschentücher, in die ich sie hätte einwickeln können, hatte ich nicht dabei. Es wurden aber immer mehr und mehr Haare, ich kam mir vor wie in einem Traum, in dem ich mal alle meine Zähne verlor. So viele wie aus meinem Mund herausfielen, musste ich im Traum mindestens hundert Zähne haben. Nun, in der Realität, sah es zum Schluss auf dem Boden aus wie in einem Frisiersalon. Was für ein Glück, dass für den nächsten Tag eh ein Friseurbesuch anberaumt war (nein, nicht um mir eine Dauerwelle verpassen zu lassen, sondern um mir die Haare abrasieren zu lassen und eine Perücke zu kaufen. Der Friseur hatte nach dem Zwischenfall dabei weniger zu tun als vermutet). Ich versuchte die Haare möglichst kompakt um ein Tischbein herum zusammenzuschieben und verließ das Lokal nach der Rechnung fast fluchtartig.

Es war ein echt nettes Lokal und auch noch ganz in der Nähe meiner Arztpraxis, aber solche spontanen Mittagessen bei diesem Italiener habe ich fortan schweren Herzens abgeschrieben. Vermutlich würden sie mich jederzeit wiedererkennen, die Schande, eine solche Sauerei hinterlassen zu haben, möchte ich nicht vis-á-vis auf mich nehmen. Vielleicht hätte ich die Haare doch in meine Tasche tun und die drei Stunden mit dem späteren Zusammenpulen aus der Tasche auf mich nehmen sollen. Ach, alles zu spät, alles zu spät, was soll diese nachträgliche Grüblerei. Aber vergessen habe ich das Ganze offenbar immer noch nicht.