Donnerstag, 25. November 2010

Coverfoto


Hier könnt ihr sehen, wie das Coverfoto entstanden ist. Es befremdet mich zwar heute noch etwas, meine Birne im Großformat auf dem Deckel zu sehen. Ich hätte sie gerne kleiner gehabt, aber der Verlag meinte, auf die Augen käme es an, die seien sehr aussagekräftig und ausdrucksvoll. Was natürlich schmeichelhaft ist. (Ich schlug daraufhin vor, nur die Augen zu nehmen - wie im Vorspann von "Tatort" -, aber diese Idee stieß nicht auf Begeisterung. Merkwürdig.)

Entstanden ist das Foto folgendermaßen.

Meine Freunde Frank und Alexandra sollten an einem lauen Spätsommerabend im August 2009 auf einen Pokerabend vorbeischauen. (Wir spielen ungefähr zweimal im Jahr auf fünf Euro. Um uns wenigstens etwas cooler vorzukommen, spielen wir mit Sonnenbrillen. Was allerdings nichts zur Sache tut.) Da Frank eine ganz gute Kamera hat, zumindest eine ca. tausendmal bessere als ich mit meiner Ein-Paar-Pixel-Kamera, bat ich ihn, bei der Gelegenheit ein paar Fotos von mir zu machen, die ich dem Verlag als potenzielle Coverfotos schicken könnte. Das war nämlich recht eilig: Es war Samstag, das Foto musste ich bis Dienstag liefern, und am Montag war Chemo angesagt. Ein Fotostudio, das für einen solchen Anlass gebührend gewesen wäre, schied also aus. Nach der Chemo bin ich nämlich immer aufgedunsen und ziemlich unansehnlich. Eilig war es aber deshalb, weil demnächst die Buchhandelsvertreterkonferenz stattfinden sollte (die Veranstaltung, auf der mein Buch zum ersten Mal vorgestellt werden sollte). Statt zu spielen und noch weniger zu fotografieren haben wir uns festgequatscht, bis mir auffiel: Es ist gleich dunkel, wir müssen schnell paar Fotos machen.

Ich zog mir ein "neutrales Shirt" an, stieg auf unseren niedrigen Balkontisch und ließ mir die Motivationszurufe von Alex gerne gefallen (ohne "Yeah, baby, genau so, das ist gut" bin ich vor der Kamera nämlich eine Niete). Vor mir die Bier- und Saftkästen und die Zitronenmelisse, die ohne mein Zutun jedes Jahr aus allen Poren des Balkons sprießt, hinter mir der dunkelblaue, romantische Nachthimmel. Ja, das Blau des Hintergrunds auf dem Cover ist nicht etwa reingephotoshopt, sondern ist schlicht und ergreifend der Spätabendhimmel. Wobei es auf dem Foto aus irgendeinem Grund eher schwarz erscheint. Ah, ich weiß, warum. Das war gegen Ende des Fotoshootings, das heißt, in der letzten der 10 Minuten, die wegen der Lichtverhältnisse dafür reichen mussten.

Meine Schminke ist jedoch leider schlampig, das Haar bzw. die Perücke ungekämmt - ich könnte mich ohrfeigen. Und ich war nicht darauf vorbereitet, dass wir mindestens 600 Fotos machen sollten, um wenigstens ein gutes zu kriegen, wie angeblich jedenfalls in der Modebranche üblich. Das meiste ist (denen) bekanntlich nicht zu gebrauchen. Eins von den sechs Fotos, die ich geschickt habe, hat der Verlag notgedrungen ausgewählt. Es war ja eilig.

Also ist es dieses bzw. jenes Foto auf dem Cover geworden. Mein Lektor meinte zwar, ich würde darauf eventuell etwas großkotzig rüberkommen, und ich muss ihm Recht geben. Als ich ihm erklärte, dass ich auf einem Balkontisch stand und der Fotograf von unten fotografieren musste, fand er es nicht mehr gar so schlimm. Ein besseres Foto gab es halt sowieso nicht. Die Sache war gelaufen.

Ich versuche es so hinzubiegen: Ich sehe dort meines Erachtens aus wie eine Frau, die sich nicht vom Schicksal unterkriegen lässt, sondern ihm offen und sogar mit einem angedeuteten Lächeln entgegenblickt. Leicht trotzig, jedoch bodenständig und ehrlich. Krampfhaft versuchend, die Bierkästen und die Unordnung auf dem Balkon zu ignorieren, da es immerhin um ein wichtiges Coverfoto geht. Was heißt hier "ein wichtiges Coverfoto", das ist ja wohl stark untertrieben. Es ist das Foto, das von mir für alle Zeiten auf einem Buchdeckel kleben bleibt. Auch nachdem ich längst tot bin.

Und so ist es dann geworden. Eigentlich ganz okay, finde ich. Nur ECHT riesig.


Dienstag, 23. November 2010

Meine erste Perücke

Bei der ersten Chemo meines Lebens, als alles noch neu und schrecklich war, lernte ich eine ältere Dame kennen, die eine dermaßen natürlich wirkende Perücke aufhatte, dass ich zuerst dachte, sie kriegt eine Chemo, die die Haare nicht zerstört (solche Chemos gibt es tatsächlich). Zwei Wochen später, als Haarekämmen für mich schon eine sehr destruktive Tätigkeit war, fuhr ich mit Steffen zum gleichen Friseur, um mir auch eine feine Perücke zu kaufen. Damals konnte ich mir nämlich noch nicht vorstellen, auch nur eine Sekunde ohne Haare zu sein, auch die schönsten Tücher waren keine Alternative. 
Der Friseur beeindruckte mich zunächst damit, dass er mir nicht erlaubte, in den Spiegel zu schauen, während er mit dem Rasierapparat herumsurrte. Zum Spiegel drehte er mich erst mit der Perücke. Gute Strategie, kluger und erfahrener Friseur, kennt sich mit Krebskranken aus, dachte ich, und glaubte zum Schluss auch selber, dass mir dieser strenge und obersportliche Kurzhaarschnitt steht. Und nicht nur herausragend resoluten und humorfreien Politikerinnen, mit denen nicht gut über Staatsbudget streiten ist. (Ich meine aber weder Künast noch Merkel.) Der Clou bestand ja darin, dass - während im normalen Perückengeschäft die Perücke nur kurz aufgesetzt und in einem „neutralen“ Karton mitgegeben wird -, er hier mit seiner Meisterhand noch den letzten Schliff gab. Na gut, diese Perücke (die einzige, die seiner Meinung nach für mich in Frage kam, und groß war die Auswahl bei ihm nicht) war vor dem Schliff auch nicht viel schöner, also war der Verlust objektiv betrachtet nicht nennenswert und seine Arbeit wahrscheinlich hervorragend. Steffens (in praktischer Hinsicht allerdings nutzloser) Kommentar war, dass es vorher schöner war, aber dass er mich auch ohne Haare liebt, und dass ich wegen ihm gar keine Perücke tragen bräuchte.
Ich kaufte noch eine ganze Tüte voll teure Spezialpflegemittel für die Perücke, denn der Friseur machte mir unmissverständlich klar, dass man ein solch exklusives Erzeugnis nicht mit gewöhnlichen Massenprodukten belästigen darf. Eins davon traute ich mich nie zu benutzen, denn es sollte der Perücke zwar einen wundervollen Glanz schenken, aber zerstäuben sollte man das besser nicht in der Wohnung, sondern in der Natur, weil die geringste Menge davon die Fußböden so glatt macht, dass ich, wenn ich vor einem Mörder fliehen sollte, nur ein wenig davon hinter meinen Rücken auf die Treppe zu zerstäuben bräuchte (oder je nachdem, wo entlang ich gerade fliehe), und der Mörder würde auf die Schnauze fliegen und sich alle Knochen brechen. Was für Kunststücke die übrigen Mittel drauf hatten, weiß ich nicht mehr.
Ich trug diese erste Perücke, bis jeder Blick in den Spiegel nicht mehr deshalb erschreckend war, weil ich dort eine andere Frisur erwartet hatte, sondern weil mir jedes Mal eine resolute Politikerin mit einer Kleiderbürste auf dem Kopf entgegensah, an die ich mich auch nach mehreren Monaten nicht gewöhnen und sie in meinem Haus willkommen heißen konnte, geschweige denn mich mit ihr zu identifizieren.
Ich kaufte dann in einem gewöhnlichen Perückengeschäft, wo ich durch mein begrenztes geistiges Horizont nur indiskutable Perücken vermutet hatte, mit denen man sich automatisch die Augenbrauen auf die Stirn und den Mund bis zu den Ohren malen würde, eine sechsmal billigere und zwölfmal schönere Perücke. Meine jetzige, fünfte Perücke kann man schon fast schön nennen, aber zum Schwitzen bringen sie einen alle, lauft doch selber im Sommer mit einer Pelzmütze herum.

Was soll das hier?

Bis ich einen Plan habe, wie ich diesen Blog am besten aufziehen soll, verwurste ich hier einige Passagen aus dem Originalmanuskript meines Buches (es heißt „Tot auf Probe“ – mit „t“ am Ende, nicht mit „d“, erschienen bei Rowohlt am 1.12.2010), die zu lang waren, im Buch eigentlich nichts zu suchen hatten, oder beides. Also habe ich theoretisch schon ein bisschen Material, das ich präsentieren kann.

Und weiter?

Jetzt müsste wohl eigentlich eine Präsentation des Autors/der Autorin kommen, mit der Vita, den wichtigsten Werken usw. Darauf habe ich aber keine Lust. Zumal meine Vita verkorkst  und mein Buch das einzige Buch ist, das ich je geschrieben habe und vermutlich je schreiben werde. Jeder, der mich kennenlernen möchte, soll es einfach lesen. Wenn er dann noch Fragen hat, schauen wir weiter.

Ach so, weiter. Was ist mit diesem Blog hier?

Ich weiß es noch nicht, es ist ein „Work in Progress“, und wird es immer bleiben, so wie mein ganzes Leben. Da ich seit meiner Krankheit, bzw. seit ich den Tod wenn nicht täglich, dann doch wöchent- oder monatlich vor den Augen habe, lebe ich impulsiv. Ich habe nicht vor, hier regelmäßig zu schreiben, aber das kann natürlich trotzdem passieren. Die meisten Sachen, die ich vorhabe, werden nix, und die, die ich nicht vorhabe, werden manchmal die wichtigsten. Ich weiß es einfach noch nicht.

Aber, wie einer meiner Lieblingsautoren, Max Goldt, mal sinngemäß gesagt hat: Freunde sind dazu da, ab und zu mal zu kontrollieren, ob man noch lebt oder schon verwest unter der Heizung liegt. Und ich betrachte alle, die hier mal reinschauen, erst mal als meine Freunde. Es gibt ein-zwei Menschen aus der Bücherwelt, bei denen ich selbst ab und zu reinschaue, einfach um zu sehen, ob sie noch leben. Also ist es nicht weiter verwerflich, oder zumindest befremdlich für mich, wenn man hier nur reinschaut, weil man wissen will: Lebt die noch?

Ich werde es zumindest versuchen, Euch mit den Informationen über mein Wohlbefinden, Stimmungslage, neuesten Erkenntnissen etc. zu versorgen. Was man als Blogger so wohl macht. Und wenn ich mal länger keinen Beitrag reingestellt haben sollte, dann sollt Ihr wissen: Unter der Heizung liege ich nicht. Die ist in meiner Wohnung nämlich zu niedrig, da passt kein Mensch drunter. Abgesehen davon: Vielleicht habe ich einfach keine Lust dazu, bin wieder mal auf Reisen, oder lese lieber Bücher von anderen, klügeren Menschen, als hier herumzuschreiben. Ein längeres Schweigen heißt also nicht, ich wiederhole: NICHT, dass ich tot bin.

Also bin ich ab jetzt ein voraussichtlich schlampiger Blogger. Dabei hatte ich eigentlich nie vor, in die Kakophonie der ganzen Blogger einzustimmen. Zwar habe ich schon 2009 mir diesen Blog-Account zugelegt (zunächst in estnischer Sprache), dachte dann aber: Wer zum Teufel soll das lesen? Wenn ich meinen Freunden was zu erzählen habe, schreibe ich eine Mail oder rufe an. Und sonst wird da niemals jemand reinschauen. Das Bedürfnis, zu erfahren, liegt ja mittlerweile weit hinter dem Bedürfnis, zu berichten und zu erzählen. Ich rede eigentlich sowieso lieber erst, wenn ich gefragt werde. Ich habe nämlich eine schwache Stimme, was soll ich mich da anstrengen. Die Faulheit tat das Ihrige, also begab ich mich wieder einer gemütlichen Nichtblogger-Lethargie hin.

Unter anderen Vorteilen, die es für mich noch gilt, rauszufinden, soll es aber angeblich verkaufsfördernd sein, wenn ein Autor nicht verwest unter der Heizung liegt (hm, wieso ist das eigentlich nicht verkaufsfördernd? Und wieso habe ich mich an diesem morbiden Vergleich mit der Heizung festgebissen?! Bin gerade eigentlich überhaupt nicht zynisch drauf), sondern noch lebt und Antworten geben oder Stellung nehmen kann.

Also werde ich mich auf Eure Kommentare und Fragen freuen. Denke ich.

Mal schauen, was das hier wird.